Samstag, 23. Mai 2015

Kampftag - bei 2-5 Grad

Die Sonne scheint durch die Vorhänge und lockt uns aus dem Bett. Bis wir dann für den Waschgang vor die Tür kommen, ist allerdings schon eine dicke schwarze Wolke über uns und ergießt sich aus vollen Kübeln. Weil meine Schuhe gestern doch nicht ganz dicht waren, muß schnell noch das Allheilmittel "Melkfett" als Schuhcreme herhalten.
Wir packen und passen das nächste Sonnenloch ab, die Fähre ist gleich nebenan und fährt wieder in ca. 10 min. Vorher müssen wir allerdings noch tanken, denn auf der Halbinsel im Norden gibt es für die nächsten unbekannt vielen Kilometer keine Tankstelle. Hier soll die nächste nur 3 km weg sein. Schnell, schnell. Als wir zurückkommen ist es natürlich zu spät - also warten auf das nächste Schiff. Alle halbe Stunden fahren die hier, die Überfahrt dauert auch eine halbe Stunde. Es zieht ein eisiger Wind auf und dann fängt's wieder an zu regnen. Schon beim Warten erfrieren die Finger fast. Auf der Fähre noch 1/2 Stunde herumstehen - jetzt sind die Füße auch gefroren. Und das bleibt heute so - den ganzen Tag.


Noch ein Ärgernis gab's auf der Fähre - der Kassierer will meine Fährenkarte nicht akzeptieren, sie würde auf der Fjord1-Linie nicht gelten. Das stimmt aber nicht, bei dieser Gesellschaft habe ich sie schon oft verwendet. Na gut, er versucht es...und natürlich klappt es. Allerdings kommt mir der Preis ziemlich hoch vor - am Abend schaue ich im Internet nach: der Kerl hat uns ordentlich über's Ohr gehauen (78 NOK pro Motorrad ist der Standardpreis, mit der Karte sollte es die Hälfte kosten, bezahlt haben wir 81 NOK pro Moped!). Pfui!

Rörvik begrüßt uns mit Sintflut. Die kleine Straße zum Atlantik hinaus führt zwischen Bergen hindurch, die wir aber nur  schemenhaft erkennen können - alles in Nebel und Wolken verhüllt. Sturmböen peitschen uns den Regen um die Ohren, im Helm tost der Wind unendlich laut (ich trage heute keine Ohrstöpsel). Wie ein Huhn muß ich den Kopf hin und her wenden, um zwischen Regentropfen und dicht beschlagener Brille ein kleines Sichtfenster so zu drehen, daß ich auf die Straße schielen kann. Nein, die Küstenstraße mit vielen Fährverbindungen werden wir nicht weiter verfolgen - nichts wie auf die E6 und Kilometer machen nach Norden. Vielleicht wird dort das Wetter besser? Zu guter Letzt schmerzt der Niederschlag schrecklich, jetzt ist schon Hagel oder zumindest Graupel dabei!
Bis gestern war es hier schönes Wetter - sagt man uns überall wo wir hinkommen. Aber wir sind halt nicht von gestern...Pech. 


 Wie in Trance fressen wir km für km. Bis endlich die Kakaostation kommt haben wir auf diese Weise doch schon 280 km zurückgelegt! Mein Navi hat in der Zwischenzeit sogar schon gelernt, Kakaostationen auszuschnüffeln und aufzuspüren. Etliche Tassen heiße Getränke rinnen die Kehlen hinunter, bis wir anfangen aufzutauen. Aber dann fühlen wir erst die Kälte! So bibbern wir bestimmt 2 h in der Tanke herum bis wir uns wieder aufmachen wollen. Aber da kommt schon der nächste Schauer. Ach, jetzt können wir es eh nicht mehr ändern, also los. Tatsächlich erwischen wir ein Sonnenloch und können es eine ganze Weile festhalten. Mehrfach fahren wir am Fuß des Regenbogens vorbei, bis es uns gegen 5 Uhr richtig erwischt! Aber richtig heftig: es schneit! 2 Grad und heftiges Schneegestöber. Der Schnee bleibt zwar nicht auf der Straße liegen, dafür aber auf der Brille. Ekelhaft! Jetzt reicht es uns - den nächsten Campingplatz werden wir ansteuern. Ach je, der ist ja noch 70 km weg! An den Händen habe ich wieder "Gasblasen"; oder sind es Brandblasen von der Griffheizung? Auf jeden Fall kann ich den Lenker kaum noch halten.


Zum Glück sind wir jetzt da. Campingplatz Svenningdal gefunden. Hütten gibt es auch. Aber niemanden an der Rezeption. Und auch keine Selbsbedienung, wie sonst oft üblich. Die Hütten sind abgesperrt. Es fängt wieder an zu kübeln. Wir verziehen uns in den ungeheizten Aufenthaltsraum und warten. 1/2 Stunde vergeblich. Niemand erscheint. Wo ist der nächste Platz? 45 km nördlich, in Mosjoen...ob das mit meinen Händen noch geht? Fritz borgt mir sein Handgas (ein Aufsatz auf den Gasgriff), damit kann ich mit dem Handballen Gas geben. So, egal, das packen wir noch...wir wollen nur noch Wärme! Schon nach 15 km finden wir einen Campingplatz, den mein Navi nicht kannte! Toll! Aber leider keine Hütte mehr frei. Der freundliche Campingwart macht uns Hoffnung, schon 10 min weiter soll es noch einen Platz geben. Tatsächlich.
So übernachten wir heute in Haugen auf dem Campingplatz Haugen bei Herrn Haugen. Sein Großvater hat das alles hier wohl gegündet. Herr Haugen scheint sehr interessiert an Kriegserinnerungen zu sein. Und etwas einsam, daher hält er uns mit allen möglichen Geschichten, Zeitungsausschnitten, alten Fotos, Feldpost und einem Jeep in der Garage bei Laune. Nebenher genießt er seinen selbsgemachten Wein. Wenn wir nächstes Jahr wiederkommen, sollen wir ein Schnäpschen mitbringen...
In der Hütte drehen wir die mickrige Heizung so weit wie möglich auf und verteilen alle nassen Klamotten einzeln mit möglichst viel Platz zum trocknen. Die Stiefel werden mit Papier ausgestopft und auf die Heizung gestellt. Ich bin ja gespannt, wie modrig die Sachen morgen noch sind.
Aus Oslo erreicht mich am Abend noch eine Mail mit großer Verwunderung über das diesjährige Wetter - seit 1996, schreiben die Zeitungen, war das Frühjar nicht so kalt und verregnet. Tja, die Regenmacherin!


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