Freitag, 22. Mai 2015

Unter die Räder nehmen

Um 8 Uhr wollen wir aufstehen, aber wenn es regnet bleiben wir bis 12 - haben wir gestern ausgemacht. Um 8 Uhr sieht es aus, als müßten wir bis zum Nachmittag hierbleiben; es schüttet und ringsum ist nichts als Wolken zu sehen. Aber so lange halten wir es dann doch nicht aus. Viertel nach 10 sitzen wir im Sattel und bleiben vorerst trocken. Trotzdem sind wir froh, die Lenkerstulpen und noch eine leichte Wärmeschicht angelegt zu haben.
Die Atlantic Ocean Road führt über die Inseln schön an der Atlantikküste entlang - wie schon der Name sagt. Oft genug "nehmen wir das Meer unter die Räder", wenn eine der phantastisch geschwungenen Brücken zwei Inseln miteinander verbindet. Und dann geraten wir unter das Meer - bis zu 260 m führt der Tunnel nach unten, um dann schlagartig wieder aufzusteigen. Genau in der Mitte signalisiert ein blaues Licht den Wendepunkt.

Das Herz springt heute nicht vor Übermut aus der Hose, ja ein oder zwei mal machen sich sogar trübe Gedanken an die Arbeit breit, aber der Wind verweht sie zum Glück ganz schnell wieder. Eigentlich bin ich ganz zufrieden. Die Lisl trollt sich zuverlässig über Stock und Stein, wir passieren einsame Häuser, schöne Bauernhöfe; Wiesen und Felsen wechseln sich ab und immer wieder begleitet uns das Meer oder der Fjord. Ein Reh flüchtet den Steilhang hinauf. So könnte ich es unentwegt aushalten.

Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung! Gemäß diesem Motto sind wir zufrieden. An unserer Kleidung gibt es wohl kaum noch was zu verbessern - also kann das Wetter ja nicht schlecht sein. Es gelingt uns auch eine ganze Zeit lang, die dunkelsten Ecken zu umzirkeln, aber irgendwann erwischt es uns dann doch, aber so richtig. Kein Entrinnen aus den Rinnsalen. Zu allem Übel begleitet uns auch noch eine kilometerlange Dieselspur, die in allen Regenbogenfarben auf der nassen Straße schillert. Dennoch habe ich den ganzen Tag ein Lied auf den Lippen - mir geht's gut, ich fühl mich wohl und selbst die Lisl hustet nicht trotz Wasser!
Als wir aber eine längere Fähre von Kristiansund über das offene Meer nehmen (müssen), da schwankt das Schiffchen doch beträchtlich. Mir ist das nicht ganz geheuer - ich bin gefangen auf dem Cardeck hinter der Bordwand und kann nichts sehen. Die Lisl gautscht in der Federung. Als sie auch noch anfängt mit dem Lenker zu schlenkern, eile ich ihr doch lieber zu Hilfe und halte sie ein wenig fest. Aber auch das geht vorbei.

"Automatisk bomstasjon" - das ist die moderne Wegelagerei! Kameras nehmen die Nummerntafel der Fahrzeuge auf und von einer Zentrale wird dann das dicke Ende, eine Rechnung über den Wegezoll direkt nach Hause geschickt. Eine besondere Freude macht dem motorradfahrenden Schwaben diese Einrichtung, denn Motorräder bezahlen nichts!
Und auch unsere Flatrate-Tasse hat sich gestern schon amortisiert - seit heute trinken wir Kakao und Kaffee gratis.

Alsbald werden die Straßen größer und breiter - wir kommen Richtung Trondheim, der Verkehr nimmt zu. Vom Regen in die Traufe? Es ist Feierabend und alle Ausfallstraßen aus Trondheim sind zu - mit langen Rückstaus. Es ist Pfingstwochenende. Aber wir fahren zum Glück in die andere Richtung. Trondheim wird dieses Wochenende menschenleer sein! Die Fähre über den Trondheimfjord wollen wir heute noch nicht nehmen - auch hier staut es sich; aber direkt an der Anlegestelle liegt auch der Campingplatz. Den kenne ich noch von meinem letzten Besuch. Er hat sogar Hütten, allerdings für stolze 500 NOK. Nur heute spielt das keine Rolle mehr; Fritz friert und unsere Klamotten tropfen. Hoffentlich hat die Hütte eine ordentliche Heizung!
Wir sind total durchgekühlt und die Klamotten tropfen ordentlich, die Hütte wird nicht so richtig warm. Den Schuhen merkt man an, daß sie täglich 12 Stunden verzweifelt versuchen, die Füße warm und trocken zu halten, das Leder ist modert feucht und aus dem Innenraum duftet es... Da hilft nur, die heiße Dusche auszunutzen und dann ab in den Schlafsack - Fritz schnarcht ja schon wieder....

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