Mittwoch, 20. Mai 2015

Naßkalte Umwege

Heute Nacht habe ich eine neue Heiztechnik ausprobiert, da mir im Zelt ziemlich kalt geworden ist. Im Waschraum gab es heißes Wasser, das habe ich in meine Trinkflasche und eine andere übriggeblieben Flasche gefüllt und als Bettflasche mit in den Schlafsack genommen. Hat super funktioniert. In der Nacht habe ich gewonnen, die Regenmacherin. Es hat lange geregnet, bis zum Morgen. Als wir aufstehen gewinnt Fritz' sonniges Gemüt wohl wieder und wir können das Zelt sogar trocken einpacken. In den Gipfeln hängen aber die grauen Wolken und immer wieder rumoren die Trolle. Ob es Gewittergrollen oder Lawinenrumpeln ist, kann ich nicht genau erkennen, aber zumindest kann ich keinen Schneerutsch mehr beobachten. Vorsichtshalber entscheiden wir uns für die Regenmontur - eine gute Entscheidung, wie sich noch herausstellen wird.

Halb Zehn ist eine gute Zeit, um abzufahren. Unsere Routenplanung hat gestern ergeben, daß wir uns den Naeroyfjord diesmal verkneifen. Die Bedingungen passen nicht. Die Fähre geht zu spät, ist zu teuer und fährt auch nicht unbedingt dahin, wo wir wollen. Und jeder von uns hat den Fjord schon mal gesehen. Schade... Bei Sonnenschein fahren wir heute die paar Kilometer wieder zurück bis zur "13", die wir dann nach Norden Richtung Vangsnes zum Sognefjord einschlagen. Eine wenig befahrene aber ganz passable Straße, die uns bis auf knapp 1000 m hochführt. Die Seen sind noch zum größten Teil zugefroren, auf beiden Seiten der Straße haben wir hohe Leitplanken aus Schnee. Die Temperatur sinkt bis auf 3 Grad. Noch ist es trocken, aber in den Bergen hängen die Wolken schon sehr tief. Die Lisl brummt gleichmäßig vor sich hin und läuft über Stock und Stein, wie am Schnürchen gezogen. Selbst der nordische Regen konnte sie bisher nicht in Angst und Aussetzer versetzen. Die Tour scheint ihr zu gefallen - brave Lisl.
 1 x reisen + 1 x Moped fahren = 2 x fröhlich
 fröhlich = kein Frustessen = schlank = fröhlich - also 3 x fröhlich
 fröhlich = gesund! (trotz Regen und Kälte) 



Immer wieder sehen wir die Überreste von Lawinen oder Erdrutschen, ganze Bäume oder ziemlich große Felsbrocken türmen sich neben (und teilweise auf) der Straße. Vielerorts wird aufgeräumt und repariert. Ein wenig Geduld müssen wir an den Baustellen schon haben.
Die Fähre über den Sognefjord nach Dragsvik erreichen wir um die Mittagszeit - da wir noch gut 1/4 h Wartezeit haben, nutzen wir diese für eine warme Pizza aus der Hand. Und schon geht's weiter. Schöne Aussicht vom Schiff. Auf der anderen Seite wollen wir die "13" weiter Richtung Moskog fahren, auf der Karte sind schöne Kurven verzeichnet. Ein Hiweis auf großen Höhenunterschied. Genau das ist aber auch das Problem - die Straße führt über ein Fjell und ist leider gesperrt. Zum Glück gibt es eine Alternativroute im Tal, die zwar kaum länger, dafür aber viel befahren und lange nicht so schön ist. Zu allem Unglück fängt es jetzt auch noch an zu regnen - gut, daß wir die Regensachen schon anhaben. Die Temperatur steigt heut ohnehin nicht über 8 Grad.

Kakao!!! Endlich mal wieder eine Statoilstation - jetzt wird der Kakaoentzug der letzten 2 Tage wieder aufgeholt! Wir waren schon versucht, bei der Konkurrenzmarke "Best", die hier ziemlich verbreitet ist, auch eine Flatratetasse (für nur 199 NOK) zu kaufen, haben's uns aber verkniffen. Wir sitzen in der Kaffee-Ecke mit Blick durch die große Scheibe auf unsere Motorräder. Dierkt daneben hat ein kleiner Roller geparkt. Der junge Besitzer kommt zurück und sieht unsere Motorräder. Ein Blick auf die Nummerntafel, ein Blick zu uns, 2 Worte in Zeichensprache gewechselt, und er kommt herein. Ein nettes Bürschchen, ca. 16 Jahre alt, der im Alter von 8 Jahren mit seinen Eltern hierher ausgewandert ist. Er spricht ganz gern mal wieder deutsch und schielt neidisch auf die Mopeds. Er duzt uns, wie es in Norwegen üblich ist und was wir ihm sehr gerne erlauben, aber er verbessert sich selbst immer wieder zum "sie" und entschuldigt sich. Anscheinend hat ihn in Deutschland mal eine Verkäuferin dafür angeschnauzt - das hat wohl gesessen.

Ein Loblied muß ich jetzt auch nochmal auf die Klamotten anstimmen. Wenn ich zurückdenke an meine vergangenen Norwegentouren - da konnten meine Füße wählen, ob sie in Lederstiefeln trotz Plastiküberzügen ersaufen oder in trockenen Gummistiefeln erfrieren wollten. Über den Motorradklamotten trug man ein Ganzkörperverhüterli, in dem man wie eine Presswurst aussah, knallrot strahlte und aus dem man nie mehr herauskam. Naß wurde es am Sitzfleisch trotzdem. Heute? Die ledernen Goretexstiefel halten meine Füße warm. Erst beim ausziehen merke ich, daß die Socken doch leicht feucht sind. Der Überanzug ist zwar etwas steif, aber paßt perfekt zum Sommeranzug, läßt sich zusammen mit der Jacke oder Hose ausziehen (2-lagig), sieht schick aus und ist vor allem dicht. Nicht mal an der Sitzfläche ist was durchgedrungen!


Es regnet. Über den letzten Paß zum Utfjord beschlägt meine Motorradbrille so stark, daß ich nichts mehr sehe - ich muß sie absetzen. Jetzt krieg ich halt den Regen direkt ins Gesicht - aber damit habe ich seit Südamerika ja auch Erfahrung. Nur war's dort wärmer.

Unsere Übernachtung heute? Einfach perfekt!!! Bei dem Wetter bin ich gerne mit einer Hütte einverstanden. Am ersten Campingplatz finde ich nur Zeltpreise - und die sind mit 200 NOK schon hoch - meine ich. Außerdem eine lange Liste mit Regeln! Irgendwie mag mich der Platz auch nicht - weiterfahren! Ich weiß, es kommt noch ein Platz. Nach Innvik steht ein Hinweisschild - es führt links ab von der Straße zum Fjord hinunter. Eine Reihe süßer kleiner roter Norwegerhütten direkt am Wasser - mit Blick auf den Fjord!!! Sieht toll aus - auch von innen: Sofa, großes Stockwerkbett, Tisch mit Tischdecke und sogar eine Kunststofforchidee zwischen den blaukarierten Vorhängen. Warm, kuschelig, sauber. Ebenso wie die Waschgelegenheiten. Und es gibt eine "Sommerhütte" als Gemeinschaftsraum mit Küche, Fernseher, Büchern und vielem mehr. Die Mopdes stehen direkt nebenan zwischen den Hütten auf einem ebenen und festen Rasenplatz. Natürlich WiFi! Und das ganze für zahme 350 NOK! Einfach geil - ich bin begeistert. Fritz auch. Wir blicken auf den Fjordboden mit kleiner Ortschaft, genießen eine heiße Brühe mit Reis und Würstchen und tauen so langsam auf. Ein dumpfes Brummen kommt näher und läßt die Hütte erzittern - der "Eide Fighter" (ein Schlepper) ist auf dem Heimweg. Ein Schwimmkran folgt ihm - Fritz hat was zu beobachten. Etwas später scheint plötzlich die Sonne durch ein kleines Wolkenloch und taucht die gegenüberliegende Ortschaft in goldenes Licht, das sich im Fjord spiegelt - sieht das herrlich aus!

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