Samstag, 23. Mai 2015

Kampftag - bei 2-5 Grad

Die Sonne scheint durch die Vorhänge und lockt uns aus dem Bett. Bis wir dann für den Waschgang vor die Tür kommen, ist allerdings schon eine dicke schwarze Wolke über uns und ergießt sich aus vollen Kübeln. Weil meine Schuhe gestern doch nicht ganz dicht waren, muß schnell noch das Allheilmittel "Melkfett" als Schuhcreme herhalten.
Wir packen und passen das nächste Sonnenloch ab, die Fähre ist gleich nebenan und fährt wieder in ca. 10 min. Vorher müssen wir allerdings noch tanken, denn auf der Halbinsel im Norden gibt es für die nächsten unbekannt vielen Kilometer keine Tankstelle. Hier soll die nächste nur 3 km weg sein. Schnell, schnell. Als wir zurückkommen ist es natürlich zu spät - also warten auf das nächste Schiff. Alle halbe Stunden fahren die hier, die Überfahrt dauert auch eine halbe Stunde. Es zieht ein eisiger Wind auf und dann fängt's wieder an zu regnen. Schon beim Warten erfrieren die Finger fast. Auf der Fähre noch 1/2 Stunde herumstehen - jetzt sind die Füße auch gefroren. Und das bleibt heute so - den ganzen Tag.


Noch ein Ärgernis gab's auf der Fähre - der Kassierer will meine Fährenkarte nicht akzeptieren, sie würde auf der Fjord1-Linie nicht gelten. Das stimmt aber nicht, bei dieser Gesellschaft habe ich sie schon oft verwendet. Na gut, er versucht es...und natürlich klappt es. Allerdings kommt mir der Preis ziemlich hoch vor - am Abend schaue ich im Internet nach: der Kerl hat uns ordentlich über's Ohr gehauen (78 NOK pro Motorrad ist der Standardpreis, mit der Karte sollte es die Hälfte kosten, bezahlt haben wir 81 NOK pro Moped!). Pfui!

Rörvik begrüßt uns mit Sintflut. Die kleine Straße zum Atlantik hinaus führt zwischen Bergen hindurch, die wir aber nur  schemenhaft erkennen können - alles in Nebel und Wolken verhüllt. Sturmböen peitschen uns den Regen um die Ohren, im Helm tost der Wind unendlich laut (ich trage heute keine Ohrstöpsel). Wie ein Huhn muß ich den Kopf hin und her wenden, um zwischen Regentropfen und dicht beschlagener Brille ein kleines Sichtfenster so zu drehen, daß ich auf die Straße schielen kann. Nein, die Küstenstraße mit vielen Fährverbindungen werden wir nicht weiter verfolgen - nichts wie auf die E6 und Kilometer machen nach Norden. Vielleicht wird dort das Wetter besser? Zu guter Letzt schmerzt der Niederschlag schrecklich, jetzt ist schon Hagel oder zumindest Graupel dabei!
Bis gestern war es hier schönes Wetter - sagt man uns überall wo wir hinkommen. Aber wir sind halt nicht von gestern...Pech. 


 Wie in Trance fressen wir km für km. Bis endlich die Kakaostation kommt haben wir auf diese Weise doch schon 280 km zurückgelegt! Mein Navi hat in der Zwischenzeit sogar schon gelernt, Kakaostationen auszuschnüffeln und aufzuspüren. Etliche Tassen heiße Getränke rinnen die Kehlen hinunter, bis wir anfangen aufzutauen. Aber dann fühlen wir erst die Kälte! So bibbern wir bestimmt 2 h in der Tanke herum bis wir uns wieder aufmachen wollen. Aber da kommt schon der nächste Schauer. Ach, jetzt können wir es eh nicht mehr ändern, also los. Tatsächlich erwischen wir ein Sonnenloch und können es eine ganze Weile festhalten. Mehrfach fahren wir am Fuß des Regenbogens vorbei, bis es uns gegen 5 Uhr richtig erwischt! Aber richtig heftig: es schneit! 2 Grad und heftiges Schneegestöber. Der Schnee bleibt zwar nicht auf der Straße liegen, dafür aber auf der Brille. Ekelhaft! Jetzt reicht es uns - den nächsten Campingplatz werden wir ansteuern. Ach je, der ist ja noch 70 km weg! An den Händen habe ich wieder "Gasblasen"; oder sind es Brandblasen von der Griffheizung? Auf jeden Fall kann ich den Lenker kaum noch halten.


Zum Glück sind wir jetzt da. Campingplatz Svenningdal gefunden. Hütten gibt es auch. Aber niemanden an der Rezeption. Und auch keine Selbsbedienung, wie sonst oft üblich. Die Hütten sind abgesperrt. Es fängt wieder an zu kübeln. Wir verziehen uns in den ungeheizten Aufenthaltsraum und warten. 1/2 Stunde vergeblich. Niemand erscheint. Wo ist der nächste Platz? 45 km nördlich, in Mosjoen...ob das mit meinen Händen noch geht? Fritz borgt mir sein Handgas (ein Aufsatz auf den Gasgriff), damit kann ich mit dem Handballen Gas geben. So, egal, das packen wir noch...wir wollen nur noch Wärme! Schon nach 15 km finden wir einen Campingplatz, den mein Navi nicht kannte! Toll! Aber leider keine Hütte mehr frei. Der freundliche Campingwart macht uns Hoffnung, schon 10 min weiter soll es noch einen Platz geben. Tatsächlich.
So übernachten wir heute in Haugen auf dem Campingplatz Haugen bei Herrn Haugen. Sein Großvater hat das alles hier wohl gegündet. Herr Haugen scheint sehr interessiert an Kriegserinnerungen zu sein. Und etwas einsam, daher hält er uns mit allen möglichen Geschichten, Zeitungsausschnitten, alten Fotos, Feldpost und einem Jeep in der Garage bei Laune. Nebenher genießt er seinen selbsgemachten Wein. Wenn wir nächstes Jahr wiederkommen, sollen wir ein Schnäpschen mitbringen...
In der Hütte drehen wir die mickrige Heizung so weit wie möglich auf und verteilen alle nassen Klamotten einzeln mit möglichst viel Platz zum trocknen. Die Stiefel werden mit Papier ausgestopft und auf die Heizung gestellt. Ich bin ja gespannt, wie modrig die Sachen morgen noch sind.
Aus Oslo erreicht mich am Abend noch eine Mail mit großer Verwunderung über das diesjährige Wetter - seit 1996, schreiben die Zeitungen, war das Frühjar nicht so kalt und verregnet. Tja, die Regenmacherin!


Freitag, 22. Mai 2015

Unter die Räder nehmen

Um 8 Uhr wollen wir aufstehen, aber wenn es regnet bleiben wir bis 12 - haben wir gestern ausgemacht. Um 8 Uhr sieht es aus, als müßten wir bis zum Nachmittag hierbleiben; es schüttet und ringsum ist nichts als Wolken zu sehen. Aber so lange halten wir es dann doch nicht aus. Viertel nach 10 sitzen wir im Sattel und bleiben vorerst trocken. Trotzdem sind wir froh, die Lenkerstulpen und noch eine leichte Wärmeschicht angelegt zu haben.
Die Atlantic Ocean Road führt über die Inseln schön an der Atlantikküste entlang - wie schon der Name sagt. Oft genug "nehmen wir das Meer unter die Räder", wenn eine der phantastisch geschwungenen Brücken zwei Inseln miteinander verbindet. Und dann geraten wir unter das Meer - bis zu 260 m führt der Tunnel nach unten, um dann schlagartig wieder aufzusteigen. Genau in der Mitte signalisiert ein blaues Licht den Wendepunkt.

Das Herz springt heute nicht vor Übermut aus der Hose, ja ein oder zwei mal machen sich sogar trübe Gedanken an die Arbeit breit, aber der Wind verweht sie zum Glück ganz schnell wieder. Eigentlich bin ich ganz zufrieden. Die Lisl trollt sich zuverlässig über Stock und Stein, wir passieren einsame Häuser, schöne Bauernhöfe; Wiesen und Felsen wechseln sich ab und immer wieder begleitet uns das Meer oder der Fjord. Ein Reh flüchtet den Steilhang hinauf. So könnte ich es unentwegt aushalten.

Es gibt kein schlechtes Wetter, nur falsche Kleidung! Gemäß diesem Motto sind wir zufrieden. An unserer Kleidung gibt es wohl kaum noch was zu verbessern - also kann das Wetter ja nicht schlecht sein. Es gelingt uns auch eine ganze Zeit lang, die dunkelsten Ecken zu umzirkeln, aber irgendwann erwischt es uns dann doch, aber so richtig. Kein Entrinnen aus den Rinnsalen. Zu allem Übel begleitet uns auch noch eine kilometerlange Dieselspur, die in allen Regenbogenfarben auf der nassen Straße schillert. Dennoch habe ich den ganzen Tag ein Lied auf den Lippen - mir geht's gut, ich fühl mich wohl und selbst die Lisl hustet nicht trotz Wasser!
Als wir aber eine längere Fähre von Kristiansund über das offene Meer nehmen (müssen), da schwankt das Schiffchen doch beträchtlich. Mir ist das nicht ganz geheuer - ich bin gefangen auf dem Cardeck hinter der Bordwand und kann nichts sehen. Die Lisl gautscht in der Federung. Als sie auch noch anfängt mit dem Lenker zu schlenkern, eile ich ihr doch lieber zu Hilfe und halte sie ein wenig fest. Aber auch das geht vorbei.

"Automatisk bomstasjon" - das ist die moderne Wegelagerei! Kameras nehmen die Nummerntafel der Fahrzeuge auf und von einer Zentrale wird dann das dicke Ende, eine Rechnung über den Wegezoll direkt nach Hause geschickt. Eine besondere Freude macht dem motorradfahrenden Schwaben diese Einrichtung, denn Motorräder bezahlen nichts!
Und auch unsere Flatrate-Tasse hat sich gestern schon amortisiert - seit heute trinken wir Kakao und Kaffee gratis.

Alsbald werden die Straßen größer und breiter - wir kommen Richtung Trondheim, der Verkehr nimmt zu. Vom Regen in die Traufe? Es ist Feierabend und alle Ausfallstraßen aus Trondheim sind zu - mit langen Rückstaus. Es ist Pfingstwochenende. Aber wir fahren zum Glück in die andere Richtung. Trondheim wird dieses Wochenende menschenleer sein! Die Fähre über den Trondheimfjord wollen wir heute noch nicht nehmen - auch hier staut es sich; aber direkt an der Anlegestelle liegt auch der Campingplatz. Den kenne ich noch von meinem letzten Besuch. Er hat sogar Hütten, allerdings für stolze 500 NOK. Nur heute spielt das keine Rolle mehr; Fritz friert und unsere Klamotten tropfen. Hoffentlich hat die Hütte eine ordentliche Heizung!
Wir sind total durchgekühlt und die Klamotten tropfen ordentlich, die Hütte wird nicht so richtig warm. Den Schuhen merkt man an, daß sie täglich 12 Stunden verzweifelt versuchen, die Füße warm und trocken zu halten, das Leder ist modert feucht und aus dem Innenraum duftet es... Da hilft nur, die heiße Dusche auszunutzen und dann ab in den Schlafsack - Fritz schnarcht ja schon wieder....

Donnerstag, 21. Mai 2015

Kontraste

Die Hütte liegt auf einem schmalen Strandstreifen zwischen der Hauptstraße und dem Fjord. So hören wir auf der einen Seite, den (Schwerlast-)Verkehr und auf der anderen die (großen) Schiffe, deren Klang deutlich angenehmer ist. Das erste Mal wachwerden ist noch zu früh, das zweite mal dafür schon ziemlich spät. Es ist fast 10 Uhr! Der Schwimmkran vor unserem Fenster hat über Nacht eine Trophäe zu Tage gefördert. Mit einem riesigen Anker am Haken zieht er den Rückzug zum Ufer an. Wir wollen zum Geiranger Fjord - dorthin führt eine Straße über den Gletscher. Wir befürchten, daß sie gesperrt ist, daher gibt es dann nur die Alternative, mit der Fähre von Hellesylt durch den Fjord zu fahren. Und diese Fähre (bis dorthin sind es noch über 60 km) fährt um 12:30 Uhr. Also ist sicherheitshalber Beeilung angesagt - bis wir abfahrbereit sind ist es schnell mal 11 Uhr. Prompt geht was daneben! Die Lisl scheint beleidigt zu sein, daß sie heute nacht im Regen draußen bleiben mußte. Sie zickt herum. Zum Glück ist die Batterie diesmal noch ausreichend geladen...irgendwann gibt mein Lislchen dann doch nach und poltert unter Protest los.

Ein Blick auf das Wetter - wir machen uns regenfest. Es ist zwar trocken, aber ziemlich bewölkt. Die Sonne schafft heute wohl keinen großen Durchbruch. Auch im Hinblick auf die naheliegenden Gletscher ist kältefeste Kleidung nicht verkehrt. Vorbei am Brixdaslbreen schlagen wir den Weg zum Jostedals-Gletscher ein. Kein Sperrschild hindert uns daran, juhu! Den Berg hinauf führt eine phantastische Motorradstrecke - breit, gut asphaltiert, herrliche Kurven bis hin zu Kehren und das unendlich lange. Von den blühenden Bäumen und Wiesen bis hinauf in die tiefverschneiten Berge - ruck zuck! Und fast kein Verkehr, zumindest keiner, der uns die Laune verderben könnte! Ach geht's uns gut!


Vorbei an Skifahrern und Langläufern bis uns die Schneemassen nur noch das Asphaltband freilassen und beiderseits Schneemauern einen Tunnel bilden. Ist das nicht Klasse?
Auf der anderen Seite geht's dann direkt zum Geirangerfjord, ebenfall wunderschöne Kehren und vor allem ein Wahnsinns-Ausblick auf den berühmten Fjord. Heute ist anscheinend kein Kreuzfahrtschiff hier - Touristen (mit Wohnmobilen) gibt es trotzdem ein paar. Von hier aus führt die übliche Route am blühenden Fjord entlang, wieder über die Höhe, mit der Fähre über den nächsten Fjord und dann zum Trollstigen. Berühmt und schon mehrfach gesehen. Heute ist in dem mittlerweile groß ausgebauten Touristenzentrum allerdings kaum was los - hat auch seine Vorteile, wenn man außerhalb der Saison fährt. Wir haben uns auf den Trollstigen gefreut, die herrliche Aussicht bei der Abfahrt. Aber wir sind ziemlich enttäuscht. Schon nach wenigen Kehren sind wir unten angekommen - das hatte ich doch anders in Erinnerung? Gegen die herrliche Straße von heute morgen zum Jostedalsbreen hoch, kommt mir diese berühmte Straße poplig vor. Immerhin erkenne ich ein paar Plätze wieder, an denen ich schon abenteuerliche Übernachtungen hatte: auf einer gesperrten Hängebrücke und in einer vom Sturm verwehten Hütte.



Am Fuße des Trollstigen liegt Andalsnes - hier wollen wir ein Kaffeepäuschen einlegen und die weitere Strecke ausbaldowern. Statoil wir kommen! Es ist schon fast 4 Uhr nachmittags, bis wir unser Mittagessen einnehmen; bis wir eine Stunde später aufbruchbereit sind, werden wir heute wohl nicht mehr allzuviel reißen. Ich habe eine schöne Tour im Kopf - zum Eikedalsvatnet. Ich möchte so gerne nochmal dorthin fahren - allerdings ist ein Stück Schotterstraße dabei und ich bin mir nicht sicher, wie Fritz Moped das verkraften würde. Die Entscheidung wird mir aber leicht gemacht, denn die Straße dorthin ist gesperrt... Was dann? Um weiter nach Norden zu kommen, werden wir um Trondheim nicht herumkommen. Aber da gibt es noch ein interessantes Stück zu sehen vorher - die Atlantic Ocean Road! Fritz weiß nichts davon und ich verrate nichts. Ich schlage nur einen kleinen Umweg über die Küste und schöne Nebensträßchen vor. Es fängt an zu regnen, nur ein wenig, aber der Spaßfaktor ist weg. Wir nehmen die Fähre nach Molde, von dort aus sind es noch ein paar Kilometer bis zum Beginn dieser Straße in Bud. Dort ist auch ein Campingplatz eingezeichnet - bis dorthin wollen wir noch. Kurz vorher ein Schild "Campingplatz & Hütten" - sieht klein und fein aus und liegt direkt am Fjord. Eine Hütte für 300 NOK ist noch frei. Gerade als ich sie Fritz zeige, trägt ein Mann jedoch seine Sachen hinauf und bedeutet uns auf deutsch, daß er sie soeben belegt hat. So ein (Schla-)Wiener! Na ja, dann müssen wir halt auf den "normalen", offiziellen Platz. Viele Wohnwagen, eben der übliche Aufbewahrungsort für Touristen. Soll "Luxus" sein? Der Preis schon - diesmal sind für die Hütte 400 NOK fällig. Die Hütte ist ok, aber eben nicht so kultig wie gestern. Dafür - stellen wir fest - ist die Dusche ohne Aufpreis - ob die uns gerochen haben?

Mittwoch, 20. Mai 2015

Naßkalte Umwege

Heute Nacht habe ich eine neue Heiztechnik ausprobiert, da mir im Zelt ziemlich kalt geworden ist. Im Waschraum gab es heißes Wasser, das habe ich in meine Trinkflasche und eine andere übriggeblieben Flasche gefüllt und als Bettflasche mit in den Schlafsack genommen. Hat super funktioniert. In der Nacht habe ich gewonnen, die Regenmacherin. Es hat lange geregnet, bis zum Morgen. Als wir aufstehen gewinnt Fritz' sonniges Gemüt wohl wieder und wir können das Zelt sogar trocken einpacken. In den Gipfeln hängen aber die grauen Wolken und immer wieder rumoren die Trolle. Ob es Gewittergrollen oder Lawinenrumpeln ist, kann ich nicht genau erkennen, aber zumindest kann ich keinen Schneerutsch mehr beobachten. Vorsichtshalber entscheiden wir uns für die Regenmontur - eine gute Entscheidung, wie sich noch herausstellen wird.

Halb Zehn ist eine gute Zeit, um abzufahren. Unsere Routenplanung hat gestern ergeben, daß wir uns den Naeroyfjord diesmal verkneifen. Die Bedingungen passen nicht. Die Fähre geht zu spät, ist zu teuer und fährt auch nicht unbedingt dahin, wo wir wollen. Und jeder von uns hat den Fjord schon mal gesehen. Schade... Bei Sonnenschein fahren wir heute die paar Kilometer wieder zurück bis zur "13", die wir dann nach Norden Richtung Vangsnes zum Sognefjord einschlagen. Eine wenig befahrene aber ganz passable Straße, die uns bis auf knapp 1000 m hochführt. Die Seen sind noch zum größten Teil zugefroren, auf beiden Seiten der Straße haben wir hohe Leitplanken aus Schnee. Die Temperatur sinkt bis auf 3 Grad. Noch ist es trocken, aber in den Bergen hängen die Wolken schon sehr tief. Die Lisl brummt gleichmäßig vor sich hin und läuft über Stock und Stein, wie am Schnürchen gezogen. Selbst der nordische Regen konnte sie bisher nicht in Angst und Aussetzer versetzen. Die Tour scheint ihr zu gefallen - brave Lisl.
 1 x reisen + 1 x Moped fahren = 2 x fröhlich
 fröhlich = kein Frustessen = schlank = fröhlich - also 3 x fröhlich
 fröhlich = gesund! (trotz Regen und Kälte) 



Immer wieder sehen wir die Überreste von Lawinen oder Erdrutschen, ganze Bäume oder ziemlich große Felsbrocken türmen sich neben (und teilweise auf) der Straße. Vielerorts wird aufgeräumt und repariert. Ein wenig Geduld müssen wir an den Baustellen schon haben.
Die Fähre über den Sognefjord nach Dragsvik erreichen wir um die Mittagszeit - da wir noch gut 1/4 h Wartezeit haben, nutzen wir diese für eine warme Pizza aus der Hand. Und schon geht's weiter. Schöne Aussicht vom Schiff. Auf der anderen Seite wollen wir die "13" weiter Richtung Moskog fahren, auf der Karte sind schöne Kurven verzeichnet. Ein Hiweis auf großen Höhenunterschied. Genau das ist aber auch das Problem - die Straße führt über ein Fjell und ist leider gesperrt. Zum Glück gibt es eine Alternativroute im Tal, die zwar kaum länger, dafür aber viel befahren und lange nicht so schön ist. Zu allem Unglück fängt es jetzt auch noch an zu regnen - gut, daß wir die Regensachen schon anhaben. Die Temperatur steigt heut ohnehin nicht über 8 Grad.

Kakao!!! Endlich mal wieder eine Statoilstation - jetzt wird der Kakaoentzug der letzten 2 Tage wieder aufgeholt! Wir waren schon versucht, bei der Konkurrenzmarke "Best", die hier ziemlich verbreitet ist, auch eine Flatratetasse (für nur 199 NOK) zu kaufen, haben's uns aber verkniffen. Wir sitzen in der Kaffee-Ecke mit Blick durch die große Scheibe auf unsere Motorräder. Dierkt daneben hat ein kleiner Roller geparkt. Der junge Besitzer kommt zurück und sieht unsere Motorräder. Ein Blick auf die Nummerntafel, ein Blick zu uns, 2 Worte in Zeichensprache gewechselt, und er kommt herein. Ein nettes Bürschchen, ca. 16 Jahre alt, der im Alter von 8 Jahren mit seinen Eltern hierher ausgewandert ist. Er spricht ganz gern mal wieder deutsch und schielt neidisch auf die Mopeds. Er duzt uns, wie es in Norwegen üblich ist und was wir ihm sehr gerne erlauben, aber er verbessert sich selbst immer wieder zum "sie" und entschuldigt sich. Anscheinend hat ihn in Deutschland mal eine Verkäuferin dafür angeschnauzt - das hat wohl gesessen.

Ein Loblied muß ich jetzt auch nochmal auf die Klamotten anstimmen. Wenn ich zurückdenke an meine vergangenen Norwegentouren - da konnten meine Füße wählen, ob sie in Lederstiefeln trotz Plastiküberzügen ersaufen oder in trockenen Gummistiefeln erfrieren wollten. Über den Motorradklamotten trug man ein Ganzkörperverhüterli, in dem man wie eine Presswurst aussah, knallrot strahlte und aus dem man nie mehr herauskam. Naß wurde es am Sitzfleisch trotzdem. Heute? Die ledernen Goretexstiefel halten meine Füße warm. Erst beim ausziehen merke ich, daß die Socken doch leicht feucht sind. Der Überanzug ist zwar etwas steif, aber paßt perfekt zum Sommeranzug, läßt sich zusammen mit der Jacke oder Hose ausziehen (2-lagig), sieht schick aus und ist vor allem dicht. Nicht mal an der Sitzfläche ist was durchgedrungen!


Es regnet. Über den letzten Paß zum Utfjord beschlägt meine Motorradbrille so stark, daß ich nichts mehr sehe - ich muß sie absetzen. Jetzt krieg ich halt den Regen direkt ins Gesicht - aber damit habe ich seit Südamerika ja auch Erfahrung. Nur war's dort wärmer.

Unsere Übernachtung heute? Einfach perfekt!!! Bei dem Wetter bin ich gerne mit einer Hütte einverstanden. Am ersten Campingplatz finde ich nur Zeltpreise - und die sind mit 200 NOK schon hoch - meine ich. Außerdem eine lange Liste mit Regeln! Irgendwie mag mich der Platz auch nicht - weiterfahren! Ich weiß, es kommt noch ein Platz. Nach Innvik steht ein Hinweisschild - es führt links ab von der Straße zum Fjord hinunter. Eine Reihe süßer kleiner roter Norwegerhütten direkt am Wasser - mit Blick auf den Fjord!!! Sieht toll aus - auch von innen: Sofa, großes Stockwerkbett, Tisch mit Tischdecke und sogar eine Kunststofforchidee zwischen den blaukarierten Vorhängen. Warm, kuschelig, sauber. Ebenso wie die Waschgelegenheiten. Und es gibt eine "Sommerhütte" als Gemeinschaftsraum mit Küche, Fernseher, Büchern und vielem mehr. Die Mopdes stehen direkt nebenan zwischen den Hütten auf einem ebenen und festen Rasenplatz. Natürlich WiFi! Und das ganze für zahme 350 NOK! Einfach geil - ich bin begeistert. Fritz auch. Wir blicken auf den Fjordboden mit kleiner Ortschaft, genießen eine heiße Brühe mit Reis und Würstchen und tauen so langsam auf. Ein dumpfes Brummen kommt näher und läßt die Hütte erzittern - der "Eide Fighter" (ein Schlepper) ist auf dem Heimweg. Ein Schwimmkran folgt ihm - Fritz hat was zu beobachten. Etwas später scheint plötzlich die Sonne durch ein kleines Wolkenloch und taucht die gegenüberliegende Ortschaft in goldenes Licht, das sich im Fjord spiegelt - sieht das herrlich aus!

Dienstag, 19. Mai 2015

Materialbericht

Heute Nacht gab es Sturmböen! Die haben beängstigend am Zelt gerüttelt. Immer wieder, bis wir den Platz verlassen haben. Fritz meint, das wären Fallwinde, die von der Hardangervidda in den Fjord fallen. Aber warum müssen die dann ausgerechnet auf uns fallen??? Na ja, auf jeden Fall hat unser Zelt zwar fürchterlich geknattert, aber ist wie eine Eins stehen geblieben. Besser kann es gar nicht sein.
Eine kleine Exkursion in die Materialbewertung gefällig?
  • Meine neue Isomatte: sehr klein und dünn. Mini-Packmaß. Aber isoliert erstaunlich gut gegen Kälte und auch Unebenheiten oder Steine!
  • Das Kopfkissen - selbstaufblasbar - hat sich schon in Amerika bewährt. Hat allerdings ein Loch bekommen und wurde mit dem besten Silikonkleber der Welt (Stormsure) abgedichtet. Perfekt!
  • Der Schlafsack: was zum Lästern. Kaum 3 Jahre alt (Daune) gehen die Nähte vielerorst auf und er läßt Federn. Die einzelnen Kammern scheinen auch nicht mehr getrennt zu sein, so daß es ganz leere und übervolle Stellen gibt. Selbst Schütteln bringt kaum Besserung. Heute Nacht ist ncoh der Gummizug abgerissen, mit dem man an den Schultern zuziehen kann. Der Wärmste ist er wohl ohnehin nicht. War wohl nicht der allerbeste Griff.
  • Der Kocher (Biolite) - ich hab mich ohne Probe auf das Experiment eingelassen und meinen treuen Benzinkocher daheim gelassen. Wenn er mal brennt, gibt er erstaunlich viel Hitze ab. Das anzünden müssen wir noch viel üben. Und man muß ihn ständig füttern. Aber das Holzsammeln, Anzüder suchen, füttern...also das Spiel mit dem Feuer...das macht einfach Spaß! Also - cooler Kocher mit Spaßfaktor.
Alles verpackt - es kann los gehen. Nicht so denkt meine Lisl. Sie stellt sich tot - das Display vom IMO (Bordcomputer) bleibt leer. Nicht mal eine blasse Anzeige! Oh oh, das ist ein ganz schlechtes Zeichen. Hoffentlich kommt da überhaupt noch was von der Batterie. Einen einzigen Versuch..immer schön drauf bleiben auf dem Anlasser...ja! Sie springt an! Ein Glück, daß die Lisl zur Zeit wirklich super gut anspringt. Ich hab ihr wohl gestern abend zu viel Saft abgezapft beim Laden der diversen Fotos, Kameras u.Ä. Also, jetzt wird gefahren (trotzdem werde ich dabei das Laptop laden) - die Batterie hat sich zu erholen. Ein Tankstop muß allerdings jetzt sofort noch sein, Fritz' Moped ist komplett leer (Benzin).

Aber jetzt - bei böigem Wind und wechselhaftem Wetter nehmen wir den Asphalt unter die Räder. Wenn Fritz gewußt hätte, daß ich die weltwit anerkannte und berüchtigte Regenmacherin bin, wäre er nicht mit mir gefahren, sagt er. Aber vielleicht hilft ja seine Anwesenheit dagegen? Von Odda fahren wir auf der Westseite des Fjordes nach Norden, um dann auf der anderen Seite der Berge wieder bis Jondal nach Süden zu fahren. Von dort aus wollen wir eine Fähre nehmen. Ja, das ist der totale Umweg, sozusagen mit der Kirche um's Dorf rum. Aber die Straße reizt mich einfach, weil es eine Nebenstraße ist. Und als wir den Nordzipfel umrundet und die erste Fähre rechts liegen lassen haben, wird die Straße ganz schmal, löchrig und kurvig. Das Ende der Welt? Fritz juchzt, so abwechlungsreich, herrlich und überraschend findet er das Sträßchen. Alleine deswegen hat sich der Weg schon gelohnt. Es stimmt schon, wir haben herrliche Ausblicke auf den Hardangerfjord, süße Örtchen, Sonnenschein, Apfelblüte (na ja, beginnt gerade) - was will man mehr?
Um die Mittagszeit rollen wir in Jondal an den Hafen. in knapp einer halben Stunde wird das Schiff wieder ablegen - gerade Zeit genug zum einkaufen und eine Kleinigkeit vespern. Super Timing! Der Laden hat übrigens "Fyrstekake"!!! Ich liebe diesen Kuchen! Und schon legt das Boot mit uns ab. Am anderen Ufer stehen Pfützen auf der Straße - hier hat es wohl einen heftigen Schauer gegeben. Kurz vor wir ankommen. Super Timing!


Jetzt ist es vorbei mit den schönen kleinen Sträßchen. Auf Hauptstraßen rollen wir im Zickzack Richtung Norden, nicht ohne alle wichtigen Wasserfälle auf der Strecke mitzunehmen: Steindaslfoss, Tvindefoss und Stahlheimskleiva. Eigentlich wollte ich mir noch eine Wanderhütte ansehen, aber die liegt vermutlich auf über 1000m Höhe - undenkbar bei dieser Schneelage! Immer sind wir auf der Suche nach det STatoil-Station, um unsere Flatrate-Tasse zu nutzen. Große Lust auf Kaffee/Kakao Pause. Aber diese Gegend scheint überhaupt nicht erschlossen zu sein. Alle Marken außer Statoil. Doch, 2 Stationen haben wir gefunden, aber die hatten keine Kaffee-Ecke. Na warte, wir werden das alles nachholen! Mittlerweile ist es gut warm geworden. Wir werden übermütig und ziehen die Regenjacken aus; schon bald bibbern wir daher wieder vor uns hin. An der nächsten Baustelle legen wir eine kurze Anziehpause ein.

In Gudvangen ist für heute Endstation. Zwar noch früh, aber eigentlich wollten wir morgen mit dem Schiff durch den Näroyfjord. Auf dem Campingplatz erfahren wir, daß die Fähre wohl aus wirtschaftlichen Gründen den Dienst eingestellt hat. Gut, mit 55€ für ein Moped ist sie auch nicht gerade billig - und ob unsere Billigkarte dort gilt ist fraglich. Es gibt nur noch ein Ausflugsboot, das nach Flam fährt. Das ist grad um die Ecke - auf der Straße vielleicht 1/4 Stunde. Vermutlich nimmt das Boot keine Fahrzezuge mit, kostet aber fast das selbe. Große Enttäuschung. Es gibt noch eine kleine Chance, daß die alte Fähre doch noch - aber nur bis Flam - fährt. Nach 11 Uhr - also ein langer Morgen! Ich war zum ersten Mal hier 1986 mit meiner Yamaha XV 750 (Softchopper) - da hat mich dieser Fjord so tief beeindruckt!!!

Wir zelten auf einer kleine Wiese zwischen den Felsen. Die Sonne verschwindet bald hinter den Gipfeln, aber die Berge auf der anderen Seite liegen noch eine  Weile in der Sonne. Und die hat anscheinend noch genug Kraft, eine Lawine auszulösen, die donnernd herunterkracht. Ich kann den Schnee über die senkrechten Wände abstürzen sehen! Am Abend kracht es noch einige Male, aber beobachten kann ich nichts mehr. Bei uns im Tal ist es saukalt, weshalb wir uns auch bald in den (hoffentlich) warmen Schlafsack verziehen.

Montag, 18. Mai 2015

Gute Ausreden

Eigentlich wachen wir zeitig auf und unsere Sachen sind auch schnell vollends gepackt. Von gestern habe ich noch einen kleinen Milchkakao übrig, den ich warm mache - lecker Frühstück! Es ist trotzdem schon kurz nach neun, bis wir loskommen. Die erste Etappe bis zur Fähre nach Tau sind nur etwa 5 km...dann fahren wir 1/2 Stunde Fähre. Von Stavanger müssen wir über einige Inseln oder Fjorde hüpfen um voranzukommen. Bis zur nächsten Fähre sind es immerhin etwas über 20 km - sie wartet schon auf uns, wir müssen nur drauf fahren und schon geht's los. Zahlen kann man immer an Bord. Ich habe zu Hause etwas von einer "Fährenkarte" gelesen bei der "Fjod1"-Gesellschaft. Leider habe ich nicht aufgepaßt, welche Fährlinie dies hier ist, also frage ich einfach die Kassierin nach der Karte. Aber ja - die gilt auch hier. Sie macht den ganzen Bezahlvorgang rückgängig und wir kaufen uns so eine Karte. Im Prinzip ist das eine Prepaid-Karte für 3300 NOK, von denen man 3200 verfahren kann. Mit dieser Kundenkarte kostet die Überfahrt pro Fahrzeug nur noch die Hälfte!
Das nächste Schiff fährt uns in Sand direkt vor der Nase weg. Macht nichts, dann warten wir halt ein wenig - sie ist ja bald wieder da. Aber...dann ist Mittagspause... Fritz sieht jemanden mit einem dicken Eis auftauchen und bekommt große Lust darauf. Also holen wir uns ein leckeres norwegisches Eis und verprassen die Erspranisse der letzten ÜÜberfahrt. Kaum halb verzehrt, ist auch schon die Fährpause vorbei und wir müssen schnell mit Eis in der Hand (logistisch etwas schwierig) die Mopeds an Bord fahren.

Wie es heut zu fahren ist? Frisch, manchmal windig, bewölkt bis sonnig. Hautsache trocken! Eigetnlich ganz angenehm. Ich hab mich morgens am dicken Winterpullover vergriffen, ihn aber bereits noch in Stavanger gegen den dünneren Fleece getauscht. Die Finger verlangen Griffzheizung, Fritz nutzt heute die dicken Handschuhe. Die Birken tragen heute ein blasses Hellgrün.

In der Wartepause taucht aus dem Nichts ein wunderlicher Typ auf und spricht uns an. Er ist vermutlich Norweger, um die 40, radebrecht aber auf deutsch mit etwas englisch. Ob wir ihn verstehen, scheint ihm ziemlich egal zu sein. Er trägt Turnschuhe mit Socken, über der Jeans eine dünne Regenhose und einen schäbigen Anorak. Er faselt irgendwas von Schlafsack kaufen und bringt nach einiger Zeit seinen fahrbaren Untersatz daher. Eine 125 ccm KLR mit prtugiesischem Kennzeichen. Gepäck? Eine Schaumstoffmatte, ein kleines Zelt, sonst nichts. Selbst einen Schlafsack vermißt man schmerzlich. Er empfiehlt uns (oder sich selbst?) eine Strecke, die wir ohnehin nehmen wollen. Dankbar wirft er einen Blick auf meine Karte - solchen Luxus gönnt er sich nicht. Auch keine Handschuhe. Brrr. Wir wollen eine Nebenstraße über Sauda Richtung Odda nehmen. Gleich zu Beginn sehe ich ein Schild mit Sperrhinweis. Der Typ - nennen wir ihn einfach mal Olaf - wartet auf uns, fährt zurück um das Schild zu lesen und erklärt uns dann, es gäbe hier wohl 2 Straßen, von denen eine nachts gesperrt wäre. Also - wir können fahren. Er heftet sich an Fritz Hinterreifen und legt sich auf geraden Strecken bei max. 80 km/h ganz flach auf den Tank, um mitzukommen. Es ist eine herrliche kurvenreiche Straße mit tollen Ausblicken. Wir genießen die Fahrt. Olaf ist manchmal ein bischen gefährlich, er hat z.B. Fritz mal unerwartet rechts überholt. Als wir am Svandalsfossen zum schauen und fotografieren anhalten, wuselt er mit und ohne Moped hin und her, trinkt von dem herabtropfenden Wasser ("ist ganz warm") und knattert wieder hinter uns her. Nach etwa 2/3 der ganzen Strecke werden wir vom Straßendienst angehalten. Wir sollen umdrehen, die Straße ist gesperrt. Ein Lawinenabgang hat sie unpassierbar gemacht. Hätten wir eingentlich gleich wissen können....aber die Straße ist so schön, daß man sie gerne auch zweimal fährt!
Die Alternative führt über eine deutlich langweiligere und stärker befahrerne Hauptstraße. Noch bevor wir dort ankommen, haben wir aber Olaf dann doch abgehängt.

Die E134 führt am Fjord entlang, ist aber auf weite Strecken getunnelt. Kalt, dunkel, unangenehm. Überhaupt - Tunnel (egal ob beleuchtet oder nicht): das Auge klammert sich krampfhaft an die letzten Lichtstrahlen und versucht, sie in den Tunnel hineinzuretten. Lange bildet es sich ein, noch Tageslicht zu erahnen, während die Lisl wie ein blindes Huhn durch die Dunkelheit tapst.

Zwei weitere imposante Wasserfälle passieren wir heute noch - den Lang- und den Latefossen. Letzterer ist kaum zu verpassen und touristisch voll erschlossen - will heißen: Verkaufbude, WC, Busparkplatz. 2 Neumarkter Busse stehen schon dort, die Insassen überfallen uns wahrlich mit "so weit seid ihr gefahren?", "Eichstätt!!", "oh, auch Bayern" oder ähnlichen überraschten Bemerkungen.


Was kommt als Nächstes? Die Trolltunga - eine Felszunge, die 700m über einem Stausee frei hinauskragt. Aber da muß man 11 km (einfach) hinwandern. Abmarschpunkt ist am See, der auf knapp 500 m Höhe liegt (die Schneegrenze ist aktuell bei etwas 350 m). Bis dorthin schlängelt sich eine enge Serpentinenstraße den Berg hinauf - bei Gegenverkehr zu eng. Und es ist viel Verkehr - aber nur Baustellenfahrzezuge. Am Stausee wird derzeit einiges gebaut, was ganau können wir nicht feststellen. Also, um ehrlich zu sein, 11 km Bergwanderung ist nichts für mich, aber die Trolltunga reizt mich schon wahnsinnig. Vom Staudamm aus führt ein Weg am See entlang bis zu einer Biegung des Sees. Das dürfte etwa gut der halbe Weg zum Felsen sein - vielleicht kann man ihn wenigstens von dort aus sehen? Aber der Weg ist gesperrt, und laufen, am Abend um 6 Uhr? Das ist auch nichts. Also fahren wir zurück. Ein paar Meter tiefer zweigt der eigentliche Fußweg ab. Dort steht - zum Glück - daß die Saison noch gar nicht eröffnet ist. Eine super Ausrede!
Noch mehr Ausreden? Den Preikestol kann man zwar begehen, aber dort wollte ich ja nur nochmal hin, um Sonnenunter- und -aufgang oben zu erleben. Also müßte ich oben übernachten - ohne Zelt. Das geht derzeit beim besten Willen noch nicht. Und den Kjaerag-Bolten (4h Fußmarsch)? Da liegt noch Schnee, die Straße zum Lysebotn war ja sogar noch gesperrt.

Da es hier keine Möglichkeit zum Zelten gibt, einigen wir uns als Nachtlager auf den Campingplatz in Odda. Dazu müssen wir zwar ein paar km zurückfahren, aber wir wollen morgen ohnehin auf die andere Seite des Fjordes. Der Campingplatz liegt etwas höher hinter der Stadt, aber direkt an einem von steilen Felsen und Wasserfällen umgebenen See. An der Rezeption sitzt eine lustige Dame mittleren Alters, mit der wir einige Späßchen treiben. Tatäschlich bekommen wir für Fritz Behindertenausweis einen kleinen Nachlaß! Für insgeamt 120 NOK ganz ok.

Eigentlich wollten wir im Laufe des Tages noch leckeren Kakao und Kaffee tanken, aber heute gab es den ganzen Tag keine Statoil-Station. Und nach dem Eis am Mittag haben wir dann auch einen geplanten Supermarktbesuch ausfallen lassen. So haben wir dann am Abend doch ziemlich Hunger. Heute gibt es eine heiße Brühe (mit ein paar Nudeln) und den Rest von einer Semmel. Dazu noch 4 Cocktailtomaten. Alles auf dem Biokocher zubereitet - mit viel Rauch, weil die gefundenen Hackschnitzel ziemlich naß sind. Rauchfleisch hält länger. Die Alternative? Heiße Brühe mit Reis. Gibt's ein ander mal.

Sonntag, 17. Mai 2015

17. Mai - Nationalfeiertag


Angeblich wird der von allen Norwegern überall gefeiert. Also wollen wir doch mal sehen, wie man hier in Stavanger den Nationalfeiertag feiert. Wir bleiben also noch einen Tag in der Hütte.
In der Hütte. Warm und kuschelig, weiches Bett. Wir haben bis 9 Uhr geschlafen! Unsere Mopeds mußten draußen im Regen bibbern. Ich glaube, meiner Lisl eine Ziegenledersitzbank zu verpassen, war nicht die beste Entscheidung. Das Leder saugt sich voll und wird gar nicht mehr trocken. Gestern hab ich mir sogar - was mir noch gar nie passiert ist - den Hintern wund gesessen! Da hilft mein Allheilmittel "Ringelblumen-Melkfett". Das bekommt dann auch die Lisl auf die Sitzbank, kann sicher nicht schaden...

Am späten Vormittag brechen wir auf in die Stadt. Mit dem Bus! Hab ich schon Jahrhunderte nicht mehr gemacht - aber wir kommen tatsächlich irgendwo an. Und wo ist jetzt das Fest? Unser Campingplaztbesitzer hat gesagt, zwischen Hafen und See wäre den ganzen Tag was los. Wo wir gerade sind ist aber nichts zu sehen oder zu hören. Romantische alte Holzhäuschen, die aber ziemlich zugig aussehen. Kirchen. Da muß das Zentrum doch dann ganz in der Nähe sein? Wir gelangen wohl in die Fußgängerzone mit Kaufhäusern. Und dort stehen doch tatsächlich auf einem Platz ein paar Buden mit Kinderspielzeug, Süßigkeiten und Würstchen. Ah...und so langsam sammeln sich Menschen in phantastischen Trachten. In allen Altersklassen tragen sie die glitzernden und farbeprächtigen Kleider - vom Kinderwagen bis zum Krückstock. Ja, es laufen einige Menschen herum, aber eher ziel- und planlos. Ich hoffte auf einen Umzug, aber wir können nicht erkennen, ob es einen geben soll oder wo der entlang führen soll. Einsetzender Regen verscheut schlagartig alle in die umliegenden Restaurants. Und dann gibt es doch noch ein Umzüglein: ein prächtiges altes Feuerwehrauto, eine Brass Band mit einer grünen und einer lila Posaune (sieht aus wie Plasitk) und etwa 200 Jugendliche die vermutlich schulklassenweise verschiedene Szenen aus "Fluch der Karibik" darstellen. Eigentlich haben sie nur jeweils einen riesiegen Verstärker mit eigenem Stromaggregat im Einkaufswagen und tanzen dazu mehr oder weniger. Viele latschen auch einfach nur lustlos nebenher. Ein großes Fest habe ich mir anders vorgestellt.

Im Hafen lag noch ein schönes altes Holz-Segelschiff - das mußten wir natürlich ausführlich bestaunen. Und dann haben wir die Fähre zum Lysefjord entdeckt - täglich 2 Fahrten. Da könnte man den Preikestolen wenigstens mal von unten anschauen. Fritz freut sich schon...aber am 17.Mai gibt es keine Tour!


Die Füße schmerzen - man wird alt. Also gönnen wir uns jetzt ein Taxi zurück. Neben dem Campingplatz ist ein kleiner Laden mit verführerischem Bäckereiduft. Da können wir natütlich nicht einfach vorbeigehen. Heut lassen wir es uns gut gehen. Krabbensalat, frische Käsesemmeln, Kuchen. Zurück in der Hütte fallen wir erstmal auf's Bett - und sind gleich eingeschlafen. So was! Man wird alt.

Der Rest vom Tag dient zur Routenplanung. Ich habe da noch eine herrliche Strecke im Kopf, die mir ein Professor aus Trondheim vor 5 Jahren mal gezeigt hat - aber ich kann mich nicht mehr genau erinnern, wo ich die finde. Das macht mich ganz krank! Ich habe zwar einen groben Plan, welche Punkte ich ansteuern will, aber ich bevorzuge die kleinen Sträßchen. Fritz hat da aber Bedenken, daß wir zu wenig Strecke machen. Schließlich wollen wir bis zu den Lofoten hoch und dort in der Nähe noch Feunde besuchen. Nach langer Recherche steht dann der Plan für die Strecke bis kurz vor Trondheim - zumindest grob.

Ach - und ich will noch etwas mehr über diesen merkwürdigen Feiertag erfahren. Das Internet verrät mir, daß heute die norwegische Verfassung gefeiert wird. Aber anscheinend hat es doch ziemlich lange gedauert, bis die Norweger sich mit dem Feiertag angefreundet haben. Und wie sie ihn feiern? Hauptsächlich wohl mit und für die Kinder. Außer daß alle in ihren Trachten rumlaufen, konnte ich keine Besonderheiten mehr finden. Paßt ja zu dem, was wir erlebt haben. Der Tag hat weniger gebracht als ich erwartet hatte; aber immerhin haben wir uns heute ziemlich gut ausgeruht und vor allem durchgewärmt.