Montag, 18. Mai 2015

Gute Ausreden

Eigentlich wachen wir zeitig auf und unsere Sachen sind auch schnell vollends gepackt. Von gestern habe ich noch einen kleinen Milchkakao übrig, den ich warm mache - lecker Frühstück! Es ist trotzdem schon kurz nach neun, bis wir loskommen. Die erste Etappe bis zur Fähre nach Tau sind nur etwa 5 km...dann fahren wir 1/2 Stunde Fähre. Von Stavanger müssen wir über einige Inseln oder Fjorde hüpfen um voranzukommen. Bis zur nächsten Fähre sind es immerhin etwas über 20 km - sie wartet schon auf uns, wir müssen nur drauf fahren und schon geht's los. Zahlen kann man immer an Bord. Ich habe zu Hause etwas von einer "Fährenkarte" gelesen bei der "Fjod1"-Gesellschaft. Leider habe ich nicht aufgepaßt, welche Fährlinie dies hier ist, also frage ich einfach die Kassierin nach der Karte. Aber ja - die gilt auch hier. Sie macht den ganzen Bezahlvorgang rückgängig und wir kaufen uns so eine Karte. Im Prinzip ist das eine Prepaid-Karte für 3300 NOK, von denen man 3200 verfahren kann. Mit dieser Kundenkarte kostet die Überfahrt pro Fahrzeug nur noch die Hälfte!
Das nächste Schiff fährt uns in Sand direkt vor der Nase weg. Macht nichts, dann warten wir halt ein wenig - sie ist ja bald wieder da. Aber...dann ist Mittagspause... Fritz sieht jemanden mit einem dicken Eis auftauchen und bekommt große Lust darauf. Also holen wir uns ein leckeres norwegisches Eis und verprassen die Erspranisse der letzten ÜÜberfahrt. Kaum halb verzehrt, ist auch schon die Fährpause vorbei und wir müssen schnell mit Eis in der Hand (logistisch etwas schwierig) die Mopeds an Bord fahren.

Wie es heut zu fahren ist? Frisch, manchmal windig, bewölkt bis sonnig. Hautsache trocken! Eigetnlich ganz angenehm. Ich hab mich morgens am dicken Winterpullover vergriffen, ihn aber bereits noch in Stavanger gegen den dünneren Fleece getauscht. Die Finger verlangen Griffzheizung, Fritz nutzt heute die dicken Handschuhe. Die Birken tragen heute ein blasses Hellgrün.

In der Wartepause taucht aus dem Nichts ein wunderlicher Typ auf und spricht uns an. Er ist vermutlich Norweger, um die 40, radebrecht aber auf deutsch mit etwas englisch. Ob wir ihn verstehen, scheint ihm ziemlich egal zu sein. Er trägt Turnschuhe mit Socken, über der Jeans eine dünne Regenhose und einen schäbigen Anorak. Er faselt irgendwas von Schlafsack kaufen und bringt nach einiger Zeit seinen fahrbaren Untersatz daher. Eine 125 ccm KLR mit prtugiesischem Kennzeichen. Gepäck? Eine Schaumstoffmatte, ein kleines Zelt, sonst nichts. Selbst einen Schlafsack vermißt man schmerzlich. Er empfiehlt uns (oder sich selbst?) eine Strecke, die wir ohnehin nehmen wollen. Dankbar wirft er einen Blick auf meine Karte - solchen Luxus gönnt er sich nicht. Auch keine Handschuhe. Brrr. Wir wollen eine Nebenstraße über Sauda Richtung Odda nehmen. Gleich zu Beginn sehe ich ein Schild mit Sperrhinweis. Der Typ - nennen wir ihn einfach mal Olaf - wartet auf uns, fährt zurück um das Schild zu lesen und erklärt uns dann, es gäbe hier wohl 2 Straßen, von denen eine nachts gesperrt wäre. Also - wir können fahren. Er heftet sich an Fritz Hinterreifen und legt sich auf geraden Strecken bei max. 80 km/h ganz flach auf den Tank, um mitzukommen. Es ist eine herrliche kurvenreiche Straße mit tollen Ausblicken. Wir genießen die Fahrt. Olaf ist manchmal ein bischen gefährlich, er hat z.B. Fritz mal unerwartet rechts überholt. Als wir am Svandalsfossen zum schauen und fotografieren anhalten, wuselt er mit und ohne Moped hin und her, trinkt von dem herabtropfenden Wasser ("ist ganz warm") und knattert wieder hinter uns her. Nach etwa 2/3 der ganzen Strecke werden wir vom Straßendienst angehalten. Wir sollen umdrehen, die Straße ist gesperrt. Ein Lawinenabgang hat sie unpassierbar gemacht. Hätten wir eingentlich gleich wissen können....aber die Straße ist so schön, daß man sie gerne auch zweimal fährt!
Die Alternative führt über eine deutlich langweiligere und stärker befahrerne Hauptstraße. Noch bevor wir dort ankommen, haben wir aber Olaf dann doch abgehängt.

Die E134 führt am Fjord entlang, ist aber auf weite Strecken getunnelt. Kalt, dunkel, unangenehm. Überhaupt - Tunnel (egal ob beleuchtet oder nicht): das Auge klammert sich krampfhaft an die letzten Lichtstrahlen und versucht, sie in den Tunnel hineinzuretten. Lange bildet es sich ein, noch Tageslicht zu erahnen, während die Lisl wie ein blindes Huhn durch die Dunkelheit tapst.

Zwei weitere imposante Wasserfälle passieren wir heute noch - den Lang- und den Latefossen. Letzterer ist kaum zu verpassen und touristisch voll erschlossen - will heißen: Verkaufbude, WC, Busparkplatz. 2 Neumarkter Busse stehen schon dort, die Insassen überfallen uns wahrlich mit "so weit seid ihr gefahren?", "Eichstätt!!", "oh, auch Bayern" oder ähnlichen überraschten Bemerkungen.


Was kommt als Nächstes? Die Trolltunga - eine Felszunge, die 700m über einem Stausee frei hinauskragt. Aber da muß man 11 km (einfach) hinwandern. Abmarschpunkt ist am See, der auf knapp 500 m Höhe liegt (die Schneegrenze ist aktuell bei etwas 350 m). Bis dorthin schlängelt sich eine enge Serpentinenstraße den Berg hinauf - bei Gegenverkehr zu eng. Und es ist viel Verkehr - aber nur Baustellenfahrzezuge. Am Stausee wird derzeit einiges gebaut, was ganau können wir nicht feststellen. Also, um ehrlich zu sein, 11 km Bergwanderung ist nichts für mich, aber die Trolltunga reizt mich schon wahnsinnig. Vom Staudamm aus führt ein Weg am See entlang bis zu einer Biegung des Sees. Das dürfte etwa gut der halbe Weg zum Felsen sein - vielleicht kann man ihn wenigstens von dort aus sehen? Aber der Weg ist gesperrt, und laufen, am Abend um 6 Uhr? Das ist auch nichts. Also fahren wir zurück. Ein paar Meter tiefer zweigt der eigentliche Fußweg ab. Dort steht - zum Glück - daß die Saison noch gar nicht eröffnet ist. Eine super Ausrede!
Noch mehr Ausreden? Den Preikestol kann man zwar begehen, aber dort wollte ich ja nur nochmal hin, um Sonnenunter- und -aufgang oben zu erleben. Also müßte ich oben übernachten - ohne Zelt. Das geht derzeit beim besten Willen noch nicht. Und den Kjaerag-Bolten (4h Fußmarsch)? Da liegt noch Schnee, die Straße zum Lysebotn war ja sogar noch gesperrt.

Da es hier keine Möglichkeit zum Zelten gibt, einigen wir uns als Nachtlager auf den Campingplatz in Odda. Dazu müssen wir zwar ein paar km zurückfahren, aber wir wollen morgen ohnehin auf die andere Seite des Fjordes. Der Campingplatz liegt etwas höher hinter der Stadt, aber direkt an einem von steilen Felsen und Wasserfällen umgebenen See. An der Rezeption sitzt eine lustige Dame mittleren Alters, mit der wir einige Späßchen treiben. Tatäschlich bekommen wir für Fritz Behindertenausweis einen kleinen Nachlaß! Für insgeamt 120 NOK ganz ok.

Eigentlich wollten wir im Laufe des Tages noch leckeren Kakao und Kaffee tanken, aber heute gab es den ganzen Tag keine Statoil-Station. Und nach dem Eis am Mittag haben wir dann auch einen geplanten Supermarktbesuch ausfallen lassen. So haben wir dann am Abend doch ziemlich Hunger. Heute gibt es eine heiße Brühe (mit ein paar Nudeln) und den Rest von einer Semmel. Dazu noch 4 Cocktailtomaten. Alles auf dem Biokocher zubereitet - mit viel Rauch, weil die gefundenen Hackschnitzel ziemlich naß sind. Rauchfleisch hält länger. Die Alternative? Heiße Brühe mit Reis. Gibt's ein ander mal.

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