Montag, 1. Juni 2015

Ein Tag auf'm Bock


Wir haben kein bestimmtes Ziel, es muß nur langsam nach Süden gehen. Die Auswahl an Möglichkeiten ist ziemlich begrenzt: es gibt die E6 oder die E6 oder die E6. Aber das Wetter ist herrlich, die Sonne strahlt vom örtlich weiß bewölkten Himmel, ein frischer Wind weht uns um die Nase oder in die Ärmel und vertreibt die Wolken. Lisls gleichmäßigen Pulsschlag spüre ich vibrierend im ganzen Körper. Auf dem Bock sitzen!
Mein Kopf denkt wieder - alles mögliche; aber es stört mich nicht so wie früher. Er läßt meinen anderen Sinnen genügend Raum, die Umwelt zu erfahren, zu erleben, zu sehen, hören, fühlen, riechen. Ein Lied liegt mir auf den Lippen...

Als wir übers Saltfjell fahren und den Polarkreis hinter uns lassen, um in gemäßigte Breiten zu gelangen, stürmt es kräftig und eiskalt von Schweden her und möchte uns von der Straße wehen. Er versucht es auch, als ich die Mutprobe auf einer Hängebrücke in Storjord mache. Dort führt eine kleine Fußgängerbrücke über den reißenden Fluß, schmal und schwankend. Fritz bleibt lieber auf dem Festland. Ich konzentriere mich auf das andere Ende, sonst wird mir schwindlig - geschafft, juhu! Aber auf dem Rückweg erwischt mich die Windbö - die Brücke driftet ab und ich bekomme jetzt doch Angst. Aber, wie ihr seht, bin ich heil zurückgekommen.

Ob ein Abstecher von der E6 zu den ausgeschilderten Höhlen etwas Abwechslung bringt? Das letzte Stück zur Grønligrotte führt ein rutschiger Sandweg steil nach oben. Zuerst gibt es hier wohl eine andere Höhle, da ist ein Parkplatz und ein paar Hütten. Die Plakate erzählen von kilometerlangen Höhlenarmen und stundenlangen Führungen. Aber (zum Glück) ist alles geschlossen - Fritz mag keine Höhlen. Zu sehen ist auf Anhieb auch nichts von der Höhle, wer weiß, wie lange man bis zum Eingang noch durch den Schnee stapfen müßten. Die andere Höhle liegt wohl noch ein ganzes Stück weiter oben. Der Weg wird laut Hinweis noch steiler und vermutlich werden wir dort oben auch nichts Interessanteres finden, also drehen wir um. Svartissen - noch 12 km - der Name sagt mir was, aber ich weiß nicht genau was. So drehen wir halt wieder um.

Eine kleine Auswahl an Trollen:

Um die Mittagszeit verliert der Blasebalg den Kampf und die Wolken nehmen überhand. Ab halb vier beginnt es richtig fett zu regnen. Die Regensachen haben wir ja schon an, nur die Lenkerstulpen haben wir uns gespart. Jetzt wollen wir sie nicht noch montieren, was sich natürlich bald rächt....jede Bewegung weg vom beheizten Griff läßt die nassen Handschuhe gefrieren. Die Temperatur ist auf 6 Grad gesunken, Wasser haben wir jetzt ringsum in allen Formen: von oben als Regen, auf der Straße als tiefe und breite Pfützen, hinter dem Werkstatt-Sprinter als Gischt, in der Tundra als Moor oder Sumpf, auf den Wiesen als Schnee und im See sogar als Eisfläche. Ich glaube, am Polarkreis haben wir die Mitternachtssonne gegen Mitternachtsregen getauscht? Die Lisl wird jetzt gelegentlich wieder von ihren mexikanischen Hustenanfällen geschüttelt.

Eigentlich ist der Umweg am Røssvatnet entlang ein herrliches kleines und kurvenreiches Sträßchen, ein Motorraderlebnis - ich bin das schon mal gefahren. Aber wir können es nicht genießen, wollen die Haftgrenze unserer Reifen nicht austesten; schließlich wollen wir ja nicht auf der Nase landen. Der Wind konnte die gute Laune nicht verwehen, aber der Regen hat sie weggewaschen. Das Lied ist verstummt, die Lippen bleiben geschlossen - schließlich soll es drin ja trocken und warm (?) bleiben!

Die vom Navi anvisierte Statoilstation in Hattfjelldal stellt sich ale einsame überdachte Zapsäule einer anderen Marke heraus. Also bekommt nur Fritz' Moped neuen Saft und Kraft - Lisl hält noch eine Weile durch. Aber hier duftet es (nur nicht nach Kakao)!!! Jede Menge frisch gesägtes nasses Holz und eine riesige Sägemehl-Miete verströmen diesen herrlichen Geruch! Nun geht's zurück auf die E6 - die Hauptschlagader durch Nordnorwegen. Die letzte halbe Stunde hat meine Griffheizung entweder den Geist aufgegeben oder sie kann nicht mehr gegen Näße und Kälte ankommen - auf jeden Fall frieren mir fast die Finger ab. Thor sorgt dafür, daß wir die norwegischen hytter ausführlich testen! So kehren wir am Campingplatz in Trofors ein. Als wir auf dem Weg nach Norden hier übernachten wollten, waren alle Hütten von einem Oldtimertreffen belegt. Diesmal sind wir rechtzeitig da und bekommen eine hübsche geräumige Hütte (350 NOK). Gerade als wir sie beziehen trifft eine Horde deutscher Motorradfahrer ein, die alle restlichen Hütten besetzen. Motorradtreffen?
Raus aus den nassen und kalten Klamotten - die Schuhe haben wohl doch wieder etwas durchgelassen. Die Socken sind feucht, hier helfen mongolische Kamelhaarsocken! Und Fritz hilft die heiße Wasserflasche im Schlafsack. Gut schnarch!

             


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